Minimalismus
Ein Thema was mich in letzter Zeit beschäftigt hat ist, wie ich bei all der Komplexität unseres heutigen Lebens, dem permanenten Konsum und der Anhäufung von Dingen wieder etwas mehr Klarheit und Einfachheit in mein Leben bringe. Jeder kennt das plakative Beispiel wie gut man sich nach dem Aufräumen eines Zimmers oder des Kellers fühlt und das physisches Aufräumen und Entschlacken auch der Psyche hilft.
Zu dem Thema findet man einiges unter dem Label „Minimalismus“. Ein interessanter Blog ist von den beiden selbsternannten „Minimalists“ Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus. Beide haben eine erfolgreiche Unternehmenskarriere hinter sich gelassen und schrittweise einen minimalistischen Lebensstil umgesetzt. In ihrem Blog und Podcast berichten sie von ihren Erfahrungen. Daneben haben die beiden auch ein Buch veröffentlicht: „Minimalism – Live a Meaningful Life“.
Es liefert weniger eine konkrete Step-by-Step Anleitung zu einem minimalistischen Leben, als vielmehr eine Erläuterung der dahinterstehenden Werte der Autoren. Sie definieren Minimalismus als ein Werkzeug, um den Überfluss im Leben zu eliminieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, um so Glück, Erfüllung und Freiheit zu finden. Ein großer Anspruch! Allerdings ist dies eher eine Vision und es geht mehr um den Prozess, das Ausprobieren und die Entwicklung in Richtung dieser Vision.
Während ihres persönlichen Entwicklungsprozesses haben sie fünf Werte als Basis für ein bedeutungsvolles Leben für sich entdeckt:
1. Gesundheit: Hier gehen die beiden auf die Themen Ernährung, Fitness und Schlaf mit sehr konkreten Tipps ein. Sie bleiben dabei an der Oberfläche, motivieren aber dazu, sich mit den Themen auseinanderzusetzen.
2. Beziehungen: Die Autoren regen an, über seine aktuellen Beziehungen zu reflektieren. Sie schlagen ein analytisches Vorgehen vor, um sich einen Überblick zu verschaffen und auf der Basis seine Zeiteinteilung zu überdenken und anzupassen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass man die Menschen nicht verändern kann, wenn überhaupt nur sich selbst. Und man kann entscheiden, mit wem man sich umgibt, wer einem gut tut und und wer nicht. Für das Wachstum bestehender und für neue Beziehungen empfehlen die beiden sich darüber klar zu werden, was man von seinen Beziehungen erwartet und was man nicht in einer Beziehung möchte. Auf der Basis soll man sich fragen, welche Veränderungen man an sich selbst vornehmen muss, um solche Personen anzuziehen. Zuletzt erläutern die Autoren acht Elemente bedeutungsvoller Beziehungen.
3. Leidenschaft: Für mich der stärkste Teil im Buch. Sie schlagen vor zunächst die Anker aufzulösen, die einen davon abhalten, seine Leidenschaft zu finden. Sie schlagen vor die folgenden vier Anker zu betrachten:
1) Identität: die eigene Identität besteht aus mehr als nur aus dem Beruf.
2) Status: der Status hängt nicht ausschließlich von Beruf und Karriere ab, es geht darum sich weniger abhängig davon zu machen, was andere über deinen Beruf denken.
3) Sicherheit: Sicherheitsdenken ist oft der Faktor, der einen am stärksten zurückhält gewünschte Veränderungen anzugehen – bewege dich aus deiner Komfortzone!
4) Geld: sie empfehlen Geld weniger Bedeutung zu geben, in dem man die Kontrolle über seine Finanzen zurückgewinnt; die beiden geben dazu konkrete Tipps aus eigener Erfahrung mit zu hohen Ausgaben.
Das Auflösen der Anker führt zu mehr Freiheit, um seine Leidenschaft zu finden. Zur Vertiefung verweisen sie hier u.a. auf Cal Newport. Sein Buch „So Good They Can’t Ignore You“ kann ich zu diesem Thema sehr empfehlen.
4. Wachstum: Der Fokus sollte nicht auf den großen Veränderungen liegen, sondern auf inkrementellem Wachstum; d.h. man sollte kontinuierlich an Veränderungen arbeiten, um langfristig glücklich zu sein. Dabei summieren sich kleine Schritte über die Zeit zu großen Veränderungen. Als Anfang steht die aktive Entscheidung zur Veränderung. Diese muss bewusst getroffen werden und die Veränderung muss mit großer Befriedigung verbunden werden, damit sie dauerhaft ist. Wichtig ist sofort mit den ersten Schritt zu machen und Momentum aufzubauen. Mit der Zeit sollte man dann seinen Standard anheben und sich schrittweise aus seiner Komfortzone bewegen, um weiter zu wachsen. Der Schlüssel ist Konstanz.
5. Beitrag: Je mehr du wächst desto mehr kann man anderen helfen sich zu entwickeln. Die beiden sehen dies als einen grundsätzlichen menschlichen Instinkt an. Sie empfehlen, sich permanent zu fragen wie man für sich und andere einen sinnvollen Wertbeitrag liefern kann. Bei wertvollen Dingen, die man ungern macht empfehlen sie, einen spielerischen Ansatz zu wählen, um die Erfahrung genießen zu können.
Zum Schluss erläutern die Autoren, wie man die fünf Werte zusammenbringt und seine Prioritäten setzt. Minimalismus kann dabei helfen, sich auf die wichtigen Dinge im Leben zu fokussieren, seine Werte zu verfolgen und so ein bedeutungsvolles Leben zu führen.
Das kurze Buch ist leicht zu lesen und regt zum Nachdenken an. Zwei Gedanken waren besonders aufschlussreich für mich. Erstens, wenn dich jemand danach fragt, was du tust dann meint er eigentlich „Ich werde dich als Person danach beurteilen wie du dein Geld verdienst und deinen sozialen Status auf der Basis deines Berufs bewerten“. Zweitens, die Idee und das Erkennen der Anker, die dich vom persönlichen Wachstum abhalten. Das Lösen dieser Anker kann dabei helfen, deine Leidenschaft zu finden. Insgesamt gibt das Buch gute Ansatzpunkte für eine Selbstreflexion und lädt ein, Minimalismus oder Elemente davon auszuprobieren. Für eine Vertiefung einzelner Themen bieten sich der Blog und der Podcast der Autoren an.