Marathon zur Selbsterfahrung

Seit längerem beschäftigt mich der Gedanke, meinen ersten Marathon zu laufen. Aus läuferischer Sicht wäre das der nächste Schritt nach einigen Halbmarathons in den vergangenen Jahren. Bisher habe ich vor dem hohen Zeiteinsatz zurückgeschreckt. Außerdem frage ich mich, warum ich mir das antun will. Aus gesundheitlicher Sicht reichen sicherlich auch kürzere Distanzen aus, um sich fit zu halten. Was will ich mir damit beweisen? Ist es eventuell ein typisches Thema einer Midlife Crisis?
 
Einsichten und Schmerzen
Das kann gut sein, aber gleichzeitig reizt es mich herauszufinden, wie es mir bei längeren Läufen mental geht. Bisher dauerten meine Trainingsläufe meist eine Stunde. Da eine Marathon-Vorbereitung deutlich längere Umfänge vorsieht habe ich in den letzten Wochen angefangen erste Zwei-Stunden Läufe in mein Training einzubauen. Es ist eine neue Erfahrung, zwei Stunden rein mit mir und der Gleichmäßigkeit des Laufens zu verbringen. Dabei kommen viele Gedanken zu allen möglichen Themen des Alltags auf, aber auch zu grundsätzlichen Dingen. Regelmäßig komme ich vom Laufen mit neuen Einsichten zurück, die ich dann mit meinem Umfeld teile. Außerdem gehört zu längeren Läufen auch eine gewisse Leidensfähigkeit dazu, da sich immer wieder bestimmte Bereiche des Körpers mit Schmerzen melden und man sich dann damit beschäftigen kann, wie man damit umgeht. Ich frage mich, wie das bei einem vier Stunden Lauf ist und was ich dabei über mich lerne. Ich habe einiges über Ultraläufer gelesen und kann mir vorstellen, dass die Selbsterfahrung da noch deutlich mehr auf die Spitze getrieben ist (ein sehr empfehlenswertes Buch ist von Adharanand Finn „The Rise of the Ultra Runners“). Aber ich fange zunächst „klein“ an und versuche mich am Marathon.
 
Laufcoaching als neue Erfahrung
Wie gehe ich das Training an? Zum einen, indem ich meinen Körper langsam an die längere Belastung gewöhne. Dabei bin ich vorsichtig, dass ich die Umfänge nicht zu schnell steigere und so Überlastungsverletzungen vermeide. Zum anderen habe ich mir ein professionelles Laufcoaching mit Trainingsplanerstellung über Michael Arends Team gegönnt. Michael ist mir seit längerem über seinen sehr unterhaltsamen und informativen Laufpodcast „Fat Boys Run“ bekannt, den er zusammen mit Philipp Jordan moderiert.
Wenn man sich in die Welt bzw Hände von professionellen Laufcoaches begibt tritt man als Hobby-Läufer in eine neue Welt ein. Als ambitionierter Hobby Läufer kommt man relativ schnell dazu, dass man eine Zielzeit über eine bestimmte Distanz erreichen will und dafür am besten mit Hilfe eines gezielten Trainingsplans trainiert. Bisher habe ich dazu frei verfügbare Trainingspläne genutzt, die auch gut ihren Zweck erfüllt haben. Allerdings sind diese natürlich kaum auf die individuellen Bedürfnisse und die persönliche Leistungsfähigkeit angepasst.
Das Laufcoaching wurde mir netterweise von meinem Team zum Geburtstag geschenkt. Ich habe bei Michael Arends Team das sogenannte Level Up Coaching gebucht, ergänzt durch die Erstellung eines individuellen Trainingsplans für die nächsten 3 Monate.
 
Wie lief das Coaching ab?
Vorab wurde ich gebeten einen ausführlichen Analysebogen auszufüllen mit Fragen zu meiner Trainingshistorie, meinen Stärken und Schwächen und meinen Zielen. Idealerweise stellt man dem Team auch vorab seine bisherigen Trainingsdaten über die Plattform Trainingpeaks zur Verfügung. Dort kann man zB seine Garmin Daten hochladen. Dadurch können die Trainer sich ein gutes Bild der Trainingshistorie und persönlichen Entwicklung machen. Auf Basis des Bogens und der Trainingsdaten macht der Trainer – in meinem Fall Arne – eine detaillierte Analyse, die in einem ausführlichen Telefonat bzw. Videokonferenz besprochen wird. Es ist unglaublich, was man aus den Daten herauslesen kann, ich kam mir vor wie ein gläserner Läufer! Es war sehr aufschlussreich für mich und ich habe gelernt, wo ich aktuell mit meiner Leistung stehe und wie ich mich verbessern kann. Da ich zusätzlich die Erstellung eines individuellen Trainingsplans gebucht habe hatte Arne mir vorab bereits einen Plan erstellt, den ich mir über Trainingspeaks ansehen konnte und den wir dann auch ausführlich besprochen haben.
Zu der Einschätzung der aktuellen Leistungsfähigkeit bzw der individuellen Stärken und Schwächen gehört bei Michael Arends Team auch das Absolvieren von 3 Testläufen, die dabei helfen die verschiedenen Schwellwerte und Trainingsbereiche festzulegen. Entscheidend sind dabei 3 Werte: die aerobe/anaerobe Schwelle, die Laktatschwelle und die VO2 Max. Details dazu kann man sich hier ansehen. Die Testläufe hatte ich vorab gemacht und waren allein schon eine interessante Erfahrung, um sich etwas tiefer mit der eigenen Leistungsfähigkeit zu beschäftigen.
 
Was habe ich beim Coaching gelernt?
Das Coaching war eine sehr spannende Erfahrung und ich bin sehr froh, dass ich es gemacht habe. Zusammengefasst waren meine persönlichen Erkenntnisse die folgenden:
 
  1. Grundsätzlich hat mir die Analyse der Daten hat gezeigt, dass ich mich durch gezieltes Training verbessert habe und weiter verbessern kann. Die gute Botschaft für mich ist: da ich spät mit gezielten Lauftraining angefangen habe kann ich mich immer noch verbessern und persönliche Bestzeiten erzielen.
  2. Es ist beeindruckend, wie viel man aus den Daten erkennen kann, man bekommt ein detailliertes Bild der individuellen Stärken und Schwächen und kann daraus gezielte Verbesserungspotenziale ableiten.
  3. Ein gezieltes und individuelles Training ist wichtig zur Leistungssteigerung. Arne konnte erkennen, wo ich mich eindeutig verbessert habe, aber auch wo ich stagniert habe.
  4. Viel hilft viel. Generell bringt eine Steigerung der Laufumfänge eine Verbesserung (vor allem im niedrigen Intensitätsbereich), gleichzeitig lohnt sich das gezielte Quälen durch Intervalle, Sprints etc. in einem gewissen Umfang; in der Regel greift hier die 80/20 Regel, d.h. 80% des Trainings sollten mit niedrigerer Intensität (unterhalb der Laktatschwelle) erfolgen, 20% mit hoher Intensität (oberhalb der Laktatschwelle).
  5. Ein gewisses Maß sich zu quälen gehört zur Leistungsverbesserung dazu und macht mir auch Spaß, was sich unter anderem bei den Lauftests wieder gezeigt hat.
  6. Ein gutes Körpergefühl ist sehr wichtig. Man sollte nicht blind dem Plan folgen und eine Pause machen bzw etwas kürzer treten, wenn der Körper das signalisiert.
  7. Man kann immer noch mehr messen und analysieren, beispielsweise könnte ich noch über einen Wattmesser oder eine bessere Laufuhr weitere Daten zu meiner Laufeffizienz erheben. Hier muss jeder für sich schauen, ob er das braucht und es ihm wichtig ist.
 
Wie geht es nun weiter?
Zunächst habe ich jetzt einen neuen Trainingsplan für die nächsten 3 Monate. Dann muss ich entscheiden, ob ich die Vorbereitung für einen Marathonlauf angehe oder nicht. Vermutlich wird es wegen Corona noch keinen organisierten Wettkampf geben, ich könnte den Lauf auch für mich allein absolvieren und daraus ein Familien-Event machen. Alternativ arbeite ich weiter an meinen Schwächen und steigere zum Beispiel meine 10km Zeit. Immer Sommer bzw Herbst sind dann vermutlich wieder Veranstaltungen möglich.
Die ersten Läufe aus dem neuen Plan habe ich bereits absolviert, es macht Spaß, mehr Abwechslung in den Laufeinheiten zu haben. Gleichzeitig ist es aber auch eine Herausforderung, alle Einheiten einzuhalten und ausreichend Regeneration zu finden.
Wer sich ansehen will, was beim Level Up genau gemacht wird kann sich hier eine virtuelle Trainingsstunde von Michael und Arne ansehen.
Vielen Dank an Arne für die spannende Analyse und das sympathische Gespräch, ich bin sehr gespannt, wie ich mich im Laufe des Plans fühle und wie sich meine Leistung entwickelt.
Und vielen Dank an Michael und das gesamte Team für die vielen Informationen, die sie kostenlos über YouTube, ihre Website oder den Podcast zu Verfügung stellen!!

1 Kommentare zu “Marathon zur Selbsterfahrung

Schreibe einen Kommentar zu Kerim Esen Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert